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CHOM

...

Am nächsten Morgen trafen wir Schirmer in unserem Hotel. Er übergab uns ohne viel Worte eine kleine rote Schachtel, die höchstens zehn mal zehn Zentimeter groß und nicht wirklich schwer war.

Als ich sie öffnete, sah ich darin einen goldfarbenen Armreif, der auf rotem Samt lag.

Die Innenseite der Schachtel war ebenso mit rotem Samt beschlagen, sodass der Ring regelrecht eingeklemmt wurde, wenn an den Deckel schloss.

Da kann er wenigstens nicht klappern, der wichtige Ring, der uns bei unseren kommenden Taten eine der wichtigsten Hilfen sein sollte.

„Wer von euch beiden den Ring auch immer trägt, legen sie ihn nie ab, schon gar nicht, wenn er in Aktion ist. Er muss zu jeder Zeit des Einsatzes mit dem Träger verbunden sein. Legen sie ihn ab, wird der Cherub sofort zum Gegenangriff übergehen. Sander, sie wissen, was dann geschehen kann. Mehr kann ich dazu leider aber auch nicht sagen. Sie sollten klug vorgehen, um erst einmal zu testen, ob und wie der Schalmanub funktioniert.“

Das waren die einzigen Worte, die Vater Schirmer uns auf den Weg mitgeben wollte, oder konnte.

Vorsichtig, so als könnte ich ihn zerbrechen, nahm ich den Ring aus der Schachtel. Er war kühl und fühlte sich metallisch an. Schien nichts zu wiegen.

Es hatte den Anschein, als würde sich die goldene Färbung bei meiner Berührung intensivieren.

Aber ich hatte mir schon viel eingebildet.

Als ich ihn der Hand hielt, kam in mir ein gewisses Ehrfurchtsgefühl auf. Und das Gefühl einer Vorahnung. Ich wusste irgendwie, dass es jetzt richtig losgehen würde. Nichts konnte mehr den Lauf der Dinge aufhalten und ich fragte mich, ob es richtig war, mich darauf eingelassen zu haben.

Ich dachte an Judith, meinen wunderschönen Engel, an Syd, ihre kleine süße Tochter, mit dem lustig wippenden Pferdeschwanz und an die vergangenen zwei Tage, die die schönsten in meinem Leben gewesen waren.

Allerdings, hätten wir nicht die Jagd auf Chom begonnen, wären die Beiden wohl auch nie in mein Leben getreten.

Ian tippte mich an und riss mich aus meinen Gedanken.

„Wir sollten los. Diese Viecher werden nicht warten.“

Und an Schirmer gewandt: „Danke Vater.“

Der nickte kurz und sagte, „Der Herr sei mit euch!  Nein, der Herr ist mit euch! Macht die Cherubim ein für allemal fertig. Ich werde für euch beten. Ihr habt den Herrn auf eurer Seite, es ist alles gottgewollt. Denkt immer daran.“

Ich gab Ian den Ring und nickte im zu. Er nahm ihn, streifte ihn sich über das Handgelenk. Und wieder bildete ich mir ein, dass der Schalmanub  leicht aufleuchtete. Wie ein Glimmen sah das aus.

Ich glaube, ich hab zuviel ferngesehen.

Andererseits, wenn ich über die vergangene Zeit nachdachte, was war eigentlich der Unterschied zu einem Film? In mir kam der Verdacht auf, dass viele der großen Streifen, beziehungsweise deren Inhalt meist gar nicht so weit hergeholt sein könnten, wenn unsere unglaubliche Geschichte und das in der heutigen Zeit, Wirklichkeit war.

Das Glühen des Ringes war erloschen und Ian sah nicht einmal schlecht aus mit diesem Armreif. Der stand ihm echt gut.

Auf dem Flug nach London legte Ian den Ring nicht ab, selbst auf die Gefahr hin, dass wir kontrolliert wurden und er die Herkunft des Schalmanub  erklären musste.

Aber es ging alles gut. Bei der normalen Sicherheitskontrolle vor dem Terminal streifte er den Ring ab und legte ihn wie selbstverständlich in das Kleinteilekörbchen zum Durchleuchten. Keine Beanstandungen. Er ging als alltägliches Schmuckstück durch, obwohl niemand von uns wusste, aus welchem Material er eigentlich bestand.

Aber egal, Hauptsache wir waren durch.

Im Flugzeug spürte ich den Drang, einer kleinen Notdurft nachzugehen. Also begab ich mich folgerichtig zur Bordtoilette und sperrte mich ein.

Naja, wie man das halt immer so tut.

Ich hatte also das Türchen verriegelt und drehte mich um, sah mich und einen Cherub aus den Augenwinkeln im Spiegel.

Moment mal! Einen Cherub? Einen Cherub?

Ich drehte mich ganz in Richtung Spiegel und sah genau hinein.

Und dann sah ich mich und ... nichts!

Nur mich. Ich litt wohl doch schon unter Halluzinationen.

Als ich zurück an meinem Platz war, erzählte ich Ian davon.

„Lass dich nicht verrückt machen, mein Freund. Wir werden sehen, was die nächsten Stunden bringen. Wichtig wäre vielleicht, wenn wir ab jetzt immer zusammenblieben und keiner von uns etwas allein unternimmt. Ich möchte fast wetten, dass es sich unter den Cherubim schon herumgesprochen hat, dass wir den Schalmanub  haben und nach London unterwegs sind.“

Ich konnte nicht umhin, die anderen Fluggäste, die sich in meinem Blickfeld befanden, zu beobachten.

Der Typ, zwei Reihen links vor mir, hatte einige Ähnlichkeit mit Frank Stampas. Aber er war wohl sehr viel größer als unser alter Bekannter.

Und wenn der Kerl da vorn nun ein Cherub war? Ging von ihm hier im Flugzeug eine Gefahr aus?

Und warum drehte der sich jetzt zu mir herum und musterte mich, als wenn er mir sagen wollte,

< Ich kriege dich du armseliger Wurm, irgendwann.>

Ich schaute weg. Ich wusste nicht, ob ich Angst hatte. Und wenn ja, wovor oder vor wem.

Auf jeden Fall war mir nicht wohl. Ich hatte ein ungutes Gefühl, wenn ich an die nahe Zukunft dachte.

Kurze Zeit später landeten wir und die Sicherheitsprozedur wiederholte sich. Mit demselben beruhigenden Ergebnis wie schon in Deutschland.

Auf dem Weg zum Taxistand sah ich meinen „Freund“ aus dem Flieger wieder. Und wieder sah er mich an, als wollte er mich mit seinem Blick töten. Ich wagte einen Versuch und verfinsterte meine Miene so gut es ging und schüttelte leicht den Kopf. So, als wollte ich damit andeuten, dass er machen könne, was er wolle, er würde mich nie klein kriegen.

Und das funktionierte doch wirklich.

Der Gesichtsausdruck des Mister X änderte sich daraufhin und ich meinte, leichte Unsicherheit darin lesen zu können. Sollte der tatsächlich ein getarnter Cherub sein, hatte ich Stärke gezeigt und das hielt ich für gut.

Auf der Fahrt zum Hotel entschloss sich Ian, noch etwas zu essen, bevor wir Mister Stampas unseren Besuch aufdrängen wollten. Gute Idee, fand ich. Hatte ich doch schon seit einigen Stunden nichts mehr im Magen.

Ein kleines gemütliches Eck- Kneipchen war das Ziel. Ian schien es zu kennen und schon öfter hier eingekehrt zu sein, denn der Wirt begrüßte ihn und dann mich mit einem sehr herzlichen Handschlag. Ian fragte ihn, Robert, nach seinem Ergehen. Alles bestens. Natürlich. Nichts anderes war zu erwarten. Die meisten sagen, es gehe bestens, auch wenn sie lügen. Das scheint zum guten Ton zu gehören. Oder aber, man möchte sein Gegenüber nicht mit seinen Gebrechen langweilen.

Wir setzten uns und bestellten erst ein gutes Bier und später ein magenfüllendes Essen. Und das dauerte und dauerte.

Ian und ich unterhielten uns über die vergangenen Tage und was jeder von uns unternommen hatte. Ian bei Marie und ich bei Judith und Syd. Also nur Dinge, die mit der nahen Zukunft nichts zu tun hatten.

Zwischenzeitlich kam mir meine „Bekanntschaft“ während des Fluges in den Sinn und ich beobachtete wieder heimlich die anderen Gäste.

Das Lokal war mittelmäßig gefüllt und meistens saßen Pärchen an den Tischen, die allesamt mit ihren verschnörkelten Beinen irgendwie antik anmuteten. Also die Tische, nicht die Pärchen.

Männchen und Weibchen und Männchen und Männchen und auch Weibchen und Weibchen. Also von jedem etwas.

Drei Tische von uns entfernt, saßen zwei Jugendliche, von denen der eine keinen Hehl daraus machte, dass er sich für uns, aus welchem Grund auch immer, interessierte. Er war bestimmt noch keine zwanzig Jahre alt, schien kräftig gebaut und hatte kurzes schwarzes Haar.

Ich wollte mich nicht noch einmal von den Blicken Anderer beeindrucken lassen und ließ es also auf kein Blickduell ankommen. Ich schaute gelangweilt weg und unterhielt mich wieder mit Ian. Allerdings konnte ich nicht vermeiden, doch immer wieder kurz zu ihm hinüber sehen zu müssen. Als ob er dies wüsste, sah er mich jedes Mal auch gerade an.

Wir hatten mittlerweile unser zweites Bier ausgetrunken und das Essen kam immer noch nicht.

Ich merkte, dass es an der Zeit war, das erste Glas Hopfensaft wegzubringen und dachte an Ians Vorschlag, nichts mehr allein zu unternehmen. Ob das auch für einen Toilettengang in einer gut besuchten Kneipe galt? Ian und ich zusammen auf dem Herrenklo? Damit mit der Ring mich im Notfall beschützen könnte?

Ich sagte ihm, was ich zu tun für nötig erachtete und dass ich hoffte, dass uns hier keine Cherubim auflauern würden.

„Hast ja Recht.“, meinte er nur.

Also stand ich auf und wollte mich Richtung Bedürfnisanstalt begeben, als ich sah, dass sich mein Blickkontaktpartner ebenso erhoben hatte und dasselbe Ziel zu haben schien, wie ich. Ich konnte jetzt unmöglich den Vorgang abbrechen und mich wieder hinsetzen. Wie hätte denn das ausgesehen? So ging ich also, ohne mir etwas anmerken zu lassen, zur Toilette. Der junge Mann stand bereits am Pissoir und schien keine Notiz von mir zu nehmen.

Da das Örtchen nicht sehr groß war, hatte ich keine andere Möglichkeit, als maximal ein Becken auszulassen und mich ebenfalls anzuschicken, dem Drang der Blase nachzugeben und den Dingen freien Lauf zu lassen.

Seltsam, was für Gedanken einem in einer vielleicht sogar eingebildeten Situation so kommen können.

Ich hoffte jedenfalls, wenn mein Beckennachbar ein Cherub war, dass er mich wenigstens meine Notdurft verrichten lassen würde, bevor er mich angriff.

Und er ließ mich in Ruhe. Bis ich meine Hose wieder zu gemacht und mir die Hände waschen wollte. Er stand immer noch am Pinkelbecken.

Plötzlich hörte ich hinter mir ein leises Knurren und im nächsten Augenblick, noch bevor ich mich umdrehen konnte, sprang mich etwas von hinten an. Ich hob meinen rechten Arm angewinkelt nach hinten an und stieß an etwas Hartes. Gleichzeitig drehte ich mich mit Schwung um und staunte nicht schlecht, als ich tatsächlich einen Cherub von mir abfallen sah. Sofort, als der den Boden berührte, sprang er mit einem gewaltigen Satz rückwärts an die gegenüberliegende Wand und klebte wie eine Fliege daran. Die Flügel hatte er gefaltet an den schmalen Körper gelegt.

Setzte er jetzt zum Sprung an, würde ich ihm auszuweichen wissen und er würde im Waschbecken landen. Aber nichts dergleichen geschah. Es schien, als würde er abwarten, was ich als nächstes tun wollte.

Klar, er hatte den ersten Angriff unternommen und nun war ich am Zug. Ich dachte kurz darüber nach, ob ich auf irgendeine Weise Ian zu Hilfe rufen sollte, da ich wusste, welche Waffen ein Cherub einzusetzen wusste.

Aber da ich ja schlecht laut schreien konnte und ich in meiner Brust den Mut eines Helden schlagen fühlte, verwarf ich diesen Gedanken wieder.

Ich wollte dieser Kreatur da oben an der Wand selbst und mit eigener Faust einen Denkzettel verpassen.

Also machte ich einen überraschenden, schnellen Schritt nach vorn und der Cherub zog sich weitere zehn Zentimeter nach oben zurück und begann, ja tatsächlich, er begann zu fauchen. Wie eine schlecht gelaunte Katze.

Das hielt ich aber nun wirklich für unter dem Cherubim- Niveau.

So ein uraltes Wesen, mit einer unvorstellbaren Macht zur amorphen Gestaltänderung, der Fähigkeit, sich der menschlichen Form anzupassen und sogar der Fähigkeit, das menschliche Gehirn zu manipulieren, so ein Wesen musste meiner Meinung nach also nun wirklich nicht fauchen.

Wenn die Situation eine andere gewesen wäre, hätte ich über dieses harmlos bis niedlich anmutende Geräusch sicherlich gelacht.

Ich lache gerne!

Ich überlegte, wie ich dem Vieh da oben habhaft werden könnte. Springen war mir zu blöd und auch zu hoch und außerdem könnte der Cherub auf mich springen und mich so unterbuttern.

„Also, was ist jetzt? Willst du da oben anwachsen? Oder kommst du jetzt runter und ich hau’ dir deine hässliche Fratze zu Brei?“ Sehr starke Worte, fand ich und hoffte, dass er das für bare Münze nahm und meinen Bluff nicht durchschaute, denn ich war ja gar kein Schläger. Allerdings, - ich weiß gar nicht so recht, wie ich das beschreiben soll- kam ich mir einigermaßen sicher vor, da ich ja bereits einen Zusammenprall mit Stampas’ Fähigkeiten hinter mir hatte. Zumindest hatte ich nicht mehr soo viel Respekt vor diesem Cherub, wie damals vor Frank.

„Ihr solltet euren unsinnigen Feldzug aufgeben, bevor ihr Schaden nehmt.“, hallte die gleiche Stimme, die schon von Stampas gehört hatte.

Klingen die etwa alle gleich? Wie langweilig.

„Ihr wisst nicht, mit wem ihr euch hier anlegt. Ihr könnt niemals gewinnen und das Buch wird niemals wieder in Menschenhand gelangen. Niemals!“

Dieses < Niemals > war mir eine Spur zu laut. Was, wenn das jemand hörte? Oder wenn irgendjemand die Toilette benutzen wollte. Würde der Cherub seine menschliche Gestalt augenblicklich wieder annehmen? Dann fiele er doch von der Wand.

„Dieses Buch gehört denen, die es Jahrtausende lang bewacht und mit ihrem Leben verteidigt haben!“ Seine Stimme schien immer lauter zu werden und ich hoffte mittlerweile, dass ihn jemand hörte und hereinkam, denn ich verlor langsam den Glauben an meine Stärke. Irgendwie schüchterte mich die zunehmende Lautstärke seiner Worte ein.

Sicher, wenn es hart auf hart kam...

Aber was hatte ich schon einer Gehirnmanipulation entgegenzusetzen? Doch ich wollte nicht zulassen, dass er die Oberhand gewann.

Dennoch, meine anfängliche Sicherheit löste sich langsam auf.

Ich hatte mit einem Male das Gefühl, dass diese Kreatur „schuld“ an meinen Gedanken war.

< Dir werde ich es zeigen!>

„Erstens, kann man das doch gar nicht als Leben bezeichnen, was ihr da macht und zweitens was heißt hier – verteidigen? Ihr habt doch bis zum heutigen Tag nie wirklich einen Gegner gehabt, mit dem ihr nicht in kürzester Zeit fertig geworden seid!“, rief ich fast ebenso laut. Ich wollte dem Cherub zeigen, dass ich mich von ihm nicht einschüchtern lassen wollte.

„Der Einzige, dem ihr immer und immer unterlegen wart, ist euer Herr.

Und im Übrigen weißt du nicht, mit wem du dich anlegst. Ich kann mich sehr gut verteidigen. Nicht ein einziges Mal werdet ihr Macht über mich haben, nicht über meine Gedanken, nicht über meinen Körper. Dessen solltest du dir bewusst sein, Cherub!“, rief ich weiter.

Die Reaktion kam prompt. Die Kreatur sprang mit Schwung von der Wand ab. Ich drehte mich nach links weg und, wie geplant, landete sie im Waschbecken. Was ich aber nicht zu fürchten gewagt hatte, war, dass sie mit demselben Schwung wieder abhob, mit dem sie sich vorhin an die Wand geklebt hatte.

Nur war ich dieses Mal das Ziel.

Die Wucht des Anpralls warf mich um.

Ich knallte mit dem Hinterkopf gegen die Wand, was mir natürlich augenblicklich heftige Schmerzen verursachte. Der Cherub grub mir seine Krallen in die Haut. Er hatte sich auf meiner Brust und meinem Bauch niedergelassen und ich bemerkte sein enormes Gewicht.

Wie konnte so ein kleines Vieh nur so schwer sein? Groß wie ein Hund, sollte es doch höchstens zwanzig Kilo wiegen. Das hier brachte aber mindestens fünfzig Kilo auf die Waage.

Mit der Kraft eines Besessenen schaffte ich es, dem Cherub meine linke Faust in den Körper zu rammen, was ihn zwar nicht sonderlich beeindruckte, aber zumindest ließ die Einkralltiefe nach. Also versuchte ich den zweiten Anlauf und schaffte es tatsächlich, ihn von mir herunter zu werfen. Aber noch bevor ich mich aufrappeln konnte, war er schon wieder auf mir und die Prozedur begann von Neuem. Beim dritten Mal schaffte ich es sogar ihm meine Faust in seine abgrundtief hässliche Visage zu stemmen. Mit einem Knurren schleuderte er zu Boden. Jetzt wusste ich also, wie ich ihn in Schach halten konnte.

In diesem Moment ging die Tür auf und Ian trat hemdsärmlig herein. Ich konnte deutlich den Ring an seinem linken Arm sehen. Der leuchtete in einem giftigen Grün. Und schien zu funktionieren. Der Cherub begann sich plötzlich zu winden und seltsame Laute von sich zu geben, die ich keinem mir bekannten Tier hätte zuordnen können.

Naja, wie auch, die Cherubim waren keine Tiere.

Die Kreatur jedenfalls, die sich auf den Fliesen des netten kleinen Lokalpissoirs wand, änderte seine Farbe von grau zu grün nach violett zurück nach grau, bis seine lederartige Haut in einem purpurnen Rot regelrecht zu strahlen begann. Zu allem Überfluss stellte sich noch ein dermaßen übler Gestank ein, dass ich mich davor scheue, hier an dieser Stelle einen Vergleich zu uns bekannten Gerüchen zu stellen.

Ein grün- grauer Dunstschleier legte sich über den Cherub, schien in bedecken zu wollen.

Einen Augenblick später gab es ein leises schmatzendes Geräusch und der Cherub und der ekelhafte Nebel waren verschwunden.

Als wäre nichts gewesen. Nichts deutete auf die vergangenen Ereignisse hin. Nicht einmal eine winzige Spur von der Kreatur beziehungsweise ihrem Verschwinden blieb übrig.

„Vielleicht war deine Idee mit der Gemeinsamkeit doch keine so Schlechte.“, sagte ich.

„Bist du verletzt?“

„Nein. Nur ein wenig die Rinde runter.“ Ich knöpfte mein schönes braunes Cordhemd auf und stellte fest, dass der Cherub mich wirklich nicht sehr verletzt hatte. Seine Krallen hatten nicht die Wirkung gehabt, wie es während unseres Techtelmechtels den Anschein hatte. Ich blutete zwar, aber mit etwas Toilettenpapier konnte ich die nässenden Stellen abtupfen und beruhigen.

Aber selbst wenn mich die Kreatur bis auf die Knochen verletzt hätte, das war in diesem Moment nicht wirklich wichtig.

Ich hätte laut aufjauchzen können vor Freude.

„Ian! Der Schalmanub hat funktioniert! Er funktioniert!“, rief ich.

„Das habe ich nie bezweifelt, wenn ich ehrlich bin. Unvorstellbar, dass es für jeden Cherub einen Ring geben soll. Wie viele müssten denn das dann sein?

Ich fand es für meinen Geschmack nur ein wenig unspektakulär. Das war mir etwas zu einfach, wenn ich das so sagen darf.

Hast du noch Hunger? Ich denke, unser Essen sollte mittlerweile da sein.“, meinte Ian trocken.

Mann, hatte der einen Humor. Manchmal glaubte ich, dass Ian vor Coolness kaum gehen konnte.

Ich war immer noch ganz aufgeregt und merkte jetzt, dass mein Magen knurrte.

Für eine Freudenkontraktion meiner Magenwände hielt ich das.

Aus Freude, dass ich dem ersten Cherub dank Ian entkommen konnte.

Wir hatten eine kleine, klitzekleine Schlacht gewonnen, wir wussten jetzt, dass die Cherubim besiegbar waren.

„Jetzt hab ich erst recht Hunger. Sag mal, hast du vielleicht mitbekommen, ob der Kamerad unseres geflügelten Freundes hier noch an seinem Tisch sitzt?“

„Nein, auf den habe ich nicht Acht gegeben. Wie auch? Ich konnte ja nicht wissen, dass du dich hier mit biblischem Abschaum herumschlägst.“

„Natürlich, ist schon klar. Wir sollten unseren Besuch bei Stampas nicht mehr all zu lange aufschieben. Vielleicht ist es so möglich, zu verhindern, dass sich die Cherubim, in welcher Weise auch immer, vorbereiten können. Also, du weißt schon, falls die eine Möglichkeit haben, dass sich das hier herumspricht.

Komm, ich hab einen Bärenhunger.“

Der Begleiter des Angreifers war nicht mehr da. Ich denke, die beherrschen die Gedankenübertragung unter sich. Oder der ist gleich davongelaufen, als ich die Toilette betrat. Oder... Ach ich weiß es auch nicht.

Robert hatte es endlich geschafft, uns ein herrliches Essen zu kredenzen. Wenn es wirklich so lange gedauert hatte, es zuzubereiten, dann waren wir wohl ziemlich respektlos, das Mahl innerhalb kürzester Zeit zu verschlingen. Es dauerte keine fünfzehn Minuten, bis wir fertig waren....

Wie geht es wohl weiter?

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